JAYA SUNDARI


Bharatanatyam ist eine hochentwickelte klassische Tanzkunst aus dem Bundesstaat Tamil Nadu in Südindien. Dieser Tanz entwickelte sich aus dem hinduistischen Tempelritual – hier war der Tanz ein Medium der Gottesverehrung. Die Inhalte des Tanzes kommen aus der hinduistischen Mythologie, Literatur und Religionsphilosophie.

Im Veda, der Sammlung ältester indischer Schriften, werden die Götter und Göttinnen mit Tänzern und Tänzerinnen verglichen. Das höchste Absolute manifestiert sich als Siva-Nataraja, dem König der Tänzer, dessen Tanz Weltschöpfung, Erhaltung und Zerstörung repräsentiert. Der klassische südindische Tempeltanz wurzelt in einer Jahrtausende alten Tradition und spiegelt eine hochentwickelte Philosophie und Ästhetik wider.
Die Tänzerin nimmt die symbolische Identität der Naiyaka an, der Seele, die sich nach dem göttlichen Geliebten sehnt. 

Bharatanatyam ist ein Abbild des ewigen kosmischen Tanzes und der Ausdruck der Sehnsucht des Menschen nach Vereinigung mit dem Absoluten.
Der Tanz soll im Zuseher ein Rasa-Erlebnis bewirken: 

 Im Vers Nr. 37 des Abhinayadarpana des Autors Nandikesvara heißt es daher:

 „yato hastas tato drstir yato drstis tato manah yato manas tato bhavo yato bhavas tato rasah“ 

 Wo die Hände sind/sich hinbewegen dort ist der Blick wo der Blick ist, ist der Geist wo der Geist ist, ist das Gefühl, wo das Gefühl ist, ist (entsteht) Rasa. 

Das Repertoire dieses Tanzes verdankt seine bühnengerechte Form dem berühmten, im 18. Jahrhundert lebenden, Tanjore Quartett, vier Musikern und Tanzmeistern am Hofe des Maharajas Sarfoji II. von Tanjore, Südindien. 

Der Name Bharatanatyam setzt sich zusammen aus den Begriffen „Bha“ - bhava (Ausdruck), „Ra“ - Raga (Melodie), „ta“ -Tala (Rhythmus) und „Natyam (Tanz). 

Raga bedeutet soviel wie Melodik und Struktur, das, „was den Geist färbt“. Damit ist gemeint, dass die Klänge und Melodien dieser Musik den Zuhörer in eine raga-spezifische Stimmung bringen sollen. 

Tala bedeutet Rhythmik und Metrik d. h. der Rhythmus wird von der Tala angegeben. Tala ist gleichsam der Pulsschlag der Improvisation. Erst im Zusammenspiel von Raga und Tala vermag sich die vollendete Komposition zu entfalten. 

 Bharatanatyam setzt sich aus zwei Elementen zusammen: dem abstrakten, rein rhythmischen Tanz (nrtta) und dem erzählerischen, darstellenden Tanz (nrtya, abhinaya). 

 Im Nrtta, dem rein rhythmischen Tanz, werden axial geometrische Bewegungen zur Ausmalung der Schönheit von Rhythmus (tala) und Melodienmodus (raga) ausgeführt. 

 Im Nrtya, dem erzählerischen oder darstellenden Tanz, interpretiert die Tänzerin die im Lied ausgedrückten Emotionen und führt durch ihre Identifikation mit dem Inhalt, den Betrachter zu einem ästhetischen Erlebnis von höchst subtiler Qualität. 

Der klassische Tanz fordert bewusste Verfeinerung, Stilisierung und Überhöhung mit künstlerischen Mitteln (natyadharmi).

Die Regeln des Bharatanatyam sind im Natyasastra festgelegt. „natya“ bedeutet nicht nur Tanz, sondern ganz allgemein Drama, Theaterkunst. „sastra“ bezeichnet in präziser Form dargebrachte Prinzipien. Der Legende nach gilt der Weise Bharata Muni als Autor dieses Werkes. Dieses in Sanskrit abgefasste Buch, welches ca. 5600 Verse enthält, gilt als ein universelles Regelwerk, ein fast enzyklopädischer Leitfaden für Dichter und darstellende Künstler. 

 Eine andere wichtige Quelle zum indischen Tanz ist z. B. das Abhinaya Darpana aus dem 11. Jahrhundert.